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Landschaftspark Duisbug-Nord


Die Geschichte der Hütte

Von der Landwirtschaft über den Hüttenbetrieb zum kulturellen Freizeitpark

Abb. 9: Die Emscher um 1890, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 9: Die Emscher um 1890, Quelle: Stadtarchiv Duisburg

Landwirtschaftliche Nutzung vor 1900

Im Duisburger Norden, im Bereich des Landschaftspark Duisburg-Nord und des heute noch bestehenden Hüttenwerkes in Bruckhausen, herrscht im ausgehenden 19. Jahrhundert noch die landwirtschaftliche Nutzung beidseits der Emscher vor. Die Bauernschaften Bruckhausen und Lösort mit ihren Höfen blicken auf eine lange Tradition. Erste Erwähnungen reichen bis ins 14. Jahrhundert. Die Höfe der Bauernschaft Lösort sind bis Anfang des 19. Jahrhunderts gegenüber der Abtei Hamborn abgabepflichtig.

Den Grundstein für sein späteres Wirken in diesem Gebiet legt August Thyssen schon Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinen Beteiligungen an der „Gewerkschaft Vereinigte Gladbeck“ ab 1876 und der „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ ab 1883.

Im Jahr 1889 kauft er innerhalb von 2 Monaten fast die gesamte Fläche der Bauernschaft Bruckhausen auf. Hier entsteht das heute noch aktive Hüttenwerk. Auch in der Bauernschaft Lösort tätigt er Landkäufe. Land, das nicht sofort benötigt wird, verpachtet er zunächst. So geht die Landwirtschaft Schritt für Schritt zurück, bis das Hüttenwerk die Fläche der Bauernschaft zum Großteil überdeckt.

Industrieaufbau und Inbetriebnahme

Anfänge

Um das Jahr 1900 besteht aufgrund hoher Nachfrage aus den USA und den ehrgeizigen Flottenbauplänen Kaiser Wilhelms II. eine Knappheit an Roheisen in Deutschland.

Schon 1898 hat August Thyssen den Plan, einen reinen Hüttenbetrieb als Zulieferer für die Stahlwerke und Gießereien in Bruckhausen und Mülheim zu errichten. Der Standort, das Gebiet der Bauernschaft Lösort, des heutigen „Landschaftspark Duisburg-Nord“, war schnell gefunden, aber mit Bedacht gewählt. Zum einen hatte die „Gewerkschaft Vereinigte Gladbeck“ hier Grundbesitz erworben, um eine Bahnverbindung der „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ an den Bahnhof Neumühl zu schaffen, zum anderen stellte dieser Standort die Nähe zur Kohle sicher, welche durch die geplante Abteufung des Schachtes IV der „Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ gegeben war.

Damit waren die Tage der Bauernschaft Lösort gezählt. Zwischen 1900 um 1928 verschwanden die Bauernhöfe in diesem Bereich, zuletzt der Dörnemannshof 1928. Allein der Ingenhammshof blieb bestehen, erbrachte Fuhrwerksleistungen für das neue Hüttenwerk und versorgte die Kantine mit landwirtschaftlichen Produkten.

Durch Verzögerungen, bedingt durch Einwände einiger Behörden der Emschergenossenschaft, der Eisenbahnverwaltung und der Bergaufsicht, wird erst am 5. Juli 1901 die Konzession für das Hüttenwerk erteilt. Der Aufbau beginnt.

Aber eine Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzende Krise in der Eisen- und Stahlindustrie und die enorme Expansion der Thyssenschen Unternehmen führen zu einem vorübergehenden Liquiditätsproblem. August Thyssen trennt sich daraufhin von seinem ältesten Kohlebesitz, seinen Beteiligungen an der „Gewerkschaft Vereinigte Gladbeck“. Das dazugehörige Hüttenwerk in Meiderich wird allerdings vom Verkauf ausgenommen. Möglich macht diesen Verkauf der Staat Preußen, der gerade zu dieser Zeit Interesse an eigenem Bergbaubesitz entwickelt und deshalb öffentlichen Bergbaubesitz aufkauft.

Am 7. März 1902 wird die „Aktiengesellschaft für Hüttenbetrieb“ gegründet, in welche das Hüttenwerk in Meiderich eingebracht wird. Für August Thyssen, der gerne unternehmerisch unabhängig ist und sich in seinen geschäftlichen Entscheidungen nicht nach Aktionären richten möchte, ist die Gründung einer Aktiengesellschaft eher ungewöhnlich, war aber zu diesem Zeitpunkt zur Kapitalgewinnung wohl nicht zu umgehen. Das Gründungskapital beträgt 1,5 Millionen Mark, befindet sich aber zum größten Teil in Händen von August Thyssen und seinem Unternehmen „Thyssen & Co.“

Aufbau

Der Aufbau des Werkes nimmt Gestalt an. 14 Monate später, am 16. Mai 1903, geht Hochofen 1 in Betrieb, er wird angeblasen. Die Produktion beginnt. Weitere 3 Monate später, am 28. August 1903, folgt ihm Hochofen 2 und ab dem 29. Dezember 1904 Hochofen 3.

Abb. 10: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 10: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 11: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 11: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 12: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 12: Postkarte 1907, AG für Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg

In die ersten Jahre des Aufbaus fallen auch die Errichtung des Magazingebäudes 1902, als eines der ersten Gebäude des Hüttenwerkes, der erste Bauabschnitt der Kraftzentrale 1906 und des Doppelkühlwerkes 1907. Hochofen 4 wird 1906 angeblasen. Mit Hochofen 5 wird 1907 der letzte Hochofen des Hüttenbetriebes fertiggestellt.

Das „Alte Verwaltungsgebäude“ an der Lösorter Straße wird 1906 errichtet. Es dient bis 1926 als Sitz des Vorstandes der „AG für Hüttenbetrieb“.

1911 folgt der zweite Bauabschnitt der „Kraftzentrale“. Die „Elektrische Werkstatt“ wird eingerichtet und 1913 erhält das Hüttenwerk einen Vorläufer des heutigen Gasometers.

Abb. 13: Gesamtansicht von Norden nach 1912, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 13: Gesamtansicht von Norden nach 1912, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg

Das Hüttenwerk komplettiert sich.

Abb. 14: Die Arbeitersiedlung am Wasgauplatz zwischen 1906 und 1912, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 14: Die Arbeitersiedlung am Wasgauplatz zwischen 1906 und 1912, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg

Ab 1906 entsteht in der näheren Umgebung des Werkes auch die erste Arbeitersiedlung. Den hohen Bedarf an Arbeitskräften kann die ländliche Gegend nicht abdecken, sodass eine Zuwanderung von Arbeitskräften aus anderen Landesteilen einsetzt. Das macht neuen Wohnraum notwendig. Dabei ist die Nähe zum Arbeitsplatz von Vorteil. Mit Werkswohnungen wird versucht, die Arbeitskräfte an das Unternehmen zu binden. Nebenbei entsteht ein Druckmittel zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Gehorsam, da bei Arbeitsverlust auch von einem Tag auf den anderen der Wohnraum für die Betreffenden und ihre Familien verloren geht.

Die am Wasgauplatz gelegene Siedlung verfügt über eine in sich autarke Infrastruktur. Eine eigene Konsumanstalt für den täglichen Bedarf, 3 Kneipen, 3 Trinkhallen, eine katholische Grundschule sowie Kindergärten bilden den sozialen und gesellschaftlichen Rahmen für dieses geschlossene Wohnquartier. Die Versorgung mit elektrischem Strom liefert die „Kraftzentrale“ des Hüttenwerks. Gas und Wasser liefert ebenfalls der Konzern.

Abb. 15: Arbeitersiedlung für das Hüttenwerk, undatiert, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 15: Arbeitersiedlung für das Hüttenwerk, undatiert, Quelle: Stadtarchiv Duisburg

Im Gegensatz zu den Kruppschen Arbeitersiedlungen befinden sich in der Siedlung am Wasgauplatz mehrgeschossige, architektonisch schmucklose Wohnhäuser mit mehreren Wohnungen. Diese Bauweise spart Platz. Wohnberechtigt sind die Hütten- und Gießereiarbeiter, sowie die Bergleute und Kokereiarbeiter der Schachtanlage 4 ( später 4/8 ). Der Standard der Wohnungen und ihre Lage sind abhängig von der Tätigkeit und der Stellung innerhalb der Werkshierachie. So verfügten die Meisterwohnungen schon 1920 über Badeeinrichtungen.

Erster Weltkrieg

1912 sind alle 5 Hochöfen gleichzeitig in Betrieb. Die Produktion von Roheisen vervierfacht sich in den Jahren von 1903 bis 1913. Mit Beginn des ersten Weltkrieges wird diese rasante Entwicklung allerdings gestoppt. Da die Kriegsgegner des Deutschen Reiches ihre Erzlieferungen stoppen, entsteht ein Rohstoffmangel, der nur unzureichend durch Verwertung von heimischen Rohstoffen abgefangen werden kann. Die Produktion sinkt um ein Drittel. Ein Hochofen muss stillgelegt werden.

Dazu muss von den noch 4 zu dieser Zeit betriebenen Hochöfen ein weiterer Hochofen stillgelegt werden, da große Teile der Belegschaft der Hüttenarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen werden. Ersatz findet man durch die Beschäftigung von Frauen und im späteren Verlauf des Krieges durch den Einsatz von Kriegsgefangenen aus Russland, Polen, Belgien und den Niederlanden.

Obwohl ab 1916 wieder alle 5 Hochöfen in Betrieb sind, kann der kriegsbedingte Bedarf an Roheisen auf Grund der mangelnden heimischen Rohstoffqualität und des weiterhin bestehenden Arbeitermangels nicht gedeckt werden.

Abb. 16: Das Werk im Jahre 1912. Gut zu erkennen sind die Hochöfen. Ofen 4 u. 5 haben einen gemeinsamen Aufzug. Rechts im Bild die Hochbahn, die den Koks von der Kokerei an die Öfen brachte. Vor den Öfen die Aufschüttung für die Möller-Bunker. Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 16: Das Werk im Jahre 1912. Gut zu erkennen sind die Hochöfen. Ofen 4 u. 5 haben einen gemeinsamen Aufzug. Rechts im Bild die Hochbahn, die den Koks von der Kokerei an die Öfen brachte. Vor den Öfen die Aufschüttung für die Möller-Bunker. Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg

Zwischen den Kriegen

Nach 1918 verhindert der Mangel an Arbeitern und Rohstoffen eine geregelte Produktion. Die Novemberrevolution trägt auch ihren Teil dazu bei. Erst 1922 sind wieder 4 Hochöfen in Betrieb.

Anfang des Jahres 1923 erfolgt die Besetzung durch französische Truppen. Die Bahnlinien, wichtig für den Erztransport, werden gekappt. Auch die Koksseilbahn, Transportverbindung zwischen Hüttenwerk und Schacht 4, wird eingestellt. Das alles führt im September 1923 zum vorübergehenden Stillstand des Hüttenbetriebes, der erst nach Abschluss von Verträgen und Zugeständnissen von Sach- und Bargeldleistungen an die Besatzer im Dezember desselben Jahres seinen Betrieb wieder aufnehmen kann.

1926 führen Überkapazitäten und die allgemeine wirtschaftliche Lage dazu, dass sich die bedeutendsten deutschen Stahl- und Kohlekonzerne zur „Vereinigte Stahlwerke AG“ zusammenschließen. August Thyssen sowie sein Sohn Fritz befürworten diesen Schritt, den Fritz Thyssen umsetzen wird. Denn die offizielle Gründung im Sommer des Jahres 1926 erlebt August Thyssen nicht mehr. Er verstirbt am 4. April 1926 in Alter von fast 84 Jahren auf Schloss Landsberg.

Mit anderen Thyssen eigenen Werken wird auch das Hüttenwerk Meiderich in diesen Zusammenschluss eingebracht. Damit verliert die „Aktiengesellschaft für Hüttenbetrieb“ ihre Eigenständigkeit und erhält eine stärkere Anbindung an die Thyssengruppe. Die Rationalisierungsmaßnahmen haben für das Hüttenwerk Meiderich Personalabbau zur Folge.

1930 bricht, bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, die Nachfrage nach Roheisen drastisch ein. Nur aufgrund seiner Sonderstellung als Spezialrohreisenlieferant entgeht das Hüttenwerk Meiderich der Stilllegung. Zur Verbesserung des Lebensunterhalt erwerbsloser Hüttenarbeiter stellt die Werksleitung Gelände und Baumaterial zur Errichtung von Kleingärten zur Verfügung. Sie entstehen an der Lösorter Straße.

Abb. 17: Das zerstörte Werk Bruckhausen nach dem Bombenangriff am 14. Oktober 1944
Abb. 17: Das zerstörte Werk Bruckhausen nach dem Bombenangriff am 14. Oktober 1944

Nach der Wirtschaftskrise und ihrer Folgen wird eine Umstrukturierung der „Vereinigten Stahlwerke AG„ beschlossen, um mehr wirtschaftliche und organisatorische Effizienz zu erreichen. Die Hüttenwerke werden zur „Hüttengruppe West“ zusammengefasst. Das Meidericher Werk wird als „Hochöfen Hüttenbetrieb“ Teil dieser Gruppe.

Mit der einsetzenden Rüstungskonjunktur in Deutschland unter den Nationalsozialisten gehen wieder alle 5 Hochöfen in Betrieb.

Der Zweite Weltkrieg

Abb. 18: Bombenangriff 1940, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 18: Bombenangriff 1940, Quelle: Stadtarchiv Duisburg

Wie schon beim ersten Weltkrieg, führt auch dieser Krieg zu erheblichem Arbeitskräftemangel. 1942 ist die Belegschaft aufgrund von Einberufung in den Kriegsdienst gegenüber 1939 um 20% gesunken. Wieder müssen Frauen die Arbeit übernehmen. Später kommen französische Kriegsgefangene dazu. Den größten Teil stellen ab 1943 sowjetische Kriegsgefangene. Vermehrte alliierte Bombenangriffe ab 1942 fordern ihre Opfer.

Am 7. September 1943 wird das Schalthaus 1 zerstört, aber von der NS-„Organisation Todt“ wieder aufgebaut. Mehrere Fliegerangriffe mit Spreng- und Brandbomben werden auf das Meidericher Werk geflogen. Nach schweren Angriffen am 14. und 15. Oktober bricht die Produktion endgültig zusammen.

Abb. 19: Hochofen 5 mit Schrägaufzug 1954, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 19: Hochofen 5 mit Schrägaufzug 1954, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg

Wiederaufbau

Nach Kriegsende werden alle Eisen produzierenden und verarbeitenden Werke beschlagnahmt und unter die Kontrolle der Alliierten gestellt. So kommt auch das Hüttenwerk Meiderich unter die Kontrolle der „North German Iron und Steel Control (NGISC)“. Die großen Konzerne sollen zerschlagen und in kleinere Betriebseinheiten zerlegt werden. So trifft es auch die „Vereinigte Stahlwerke AG“. Es folgen die Demontage von Werken als Wiedergutmachung. Das Hüttenwerk Vulcan in Hochfeld wird z.B. völlig demontiert. Die aufgrund der erhöhten Kriegsproduktion extrem verschlissenen Produktionsanlagen des Meidericher Hüttenwerks stehen nicht auf den Demontagelisten.

1948 wird das Hüttenwerk als „Hochofenwerk Meiderich“ Teil der neu entstandenen Gesellschaft „Hüttenwerke Meiderich–Ruhrort“.

Der Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften und die verschlissenen Produktionsanlagen lassen einen Neuanfang nur zögernd in Gang kommen.

Erst Anfang der 1950er Jahre können aufgrund des Marschall-Planes und des Investitionshilfegesetzes größere Modernisierungen vorgenommen werden. So werden z.B. die Dampfkolbengebläse durch Elektroturbogebläse ersetzt. In diese Zeit fällt auch der Neubau des Pförtnerhauses 1950, die Errichtung der „Neuen Verwaltung“ 1953, des Hochofens 5 mit Schrägaufzug 1954 und des Wiegenhauses 1956.

1956 wird auch der Hochofen 1 mit Schrägaufzug neu gebaut. Ihm wird 1963 der Neubau des Hochofens 2 folgen. Durch den Einsatz des Schrägaufzugs entfiel die manuelle Beschickung auf der Gichtbühne.

Abb. 20: Hochofenanlage mit neuem Hochofen 5 - rechts hinten. Er bekam im Gegensatz zu den bisherigen Öfen einen sogenannten Schrägaufzug, 1954, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 20: Hochofenanlage mit neuem Hochofen 5 - rechts hinten. Er bekam im Gegensatz zu den bisherigen Öfen einen sogenannten Schrägaufzug, 1954, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv Duisburg
Abb. 21: Luftaufnahme 1965 Phönix-Rheinrohr AG, Werk Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 21: Luftaufnahme 1965 Phönix-Rheinrohr AG, Werk Hüttenbetrieb, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 22: Schmelzer beim Abstich um 1950, Quelle: Stadtarchiv Duisburg
Abb. 22: Schmelzer beim Abstich um 1950, Quelle: Stadtarchiv Duisburg

Die 1950er und 1960er Jahre standen noch im Zeichen des Wiederaufbaues. Es galt, die Kriegsschäden zu beseitigen und den technischen Rückstand aufzuholen. Der Aufschwung durch das „Wirtschaftswunder“ fordert mehr Arbeitskräfte, als der deutsche Arbeitsmarkt hergibt. So werden Ende der 1950er Jahre ausländische Arbeitskräfte angeworben. Kommunikationsprobleme aufgrund der Sprachen und die meist unzureichende Qualifikation bei den aus Italien, Griechenland, Spanien und der Türkei stammenden Arbeitskräften sowie die kulturellen Unterschiede, erfordern in den nächsten Jahren diverse Maßnahmen wie Sprachkursen und Weiterbildung zur Integration in den Arbeitsalltag.

Rationalisierung

Mit Beginn der 1970er Jahre wird die Steigerung und die Optimierung der Produktion angestrebt. Die Phase der Rationalisierung hat begonnen.

Schon 1968 wird der Hochofen 3 wegen Verschleißes stillgelegt und abgerissen. 1970 folgt ihm Hochofen 4 aus denselben Gründen. Die Lücke, die dadurch in der Reihe der Hochöfen entsteht, ist auch heute noch im Landschaftspark deutlich sichtbar. Aufgrund seiner Technik als wichtiger Schritt in Richtung Rationalisierung und Umwelt, erfolgt ab 1970 auch der Umbau des Hochofens 5, der 1973 als reiner Ferromangan-Ofen wieder in Betrieb genommen wird. Für seine Steuerung wird 1974 die zentrale Messwarte erbaut.

Rationalisierung bedeutet aber auch Personalabbau. Gegenüber den 1960er Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter von ca.1000 auf ca. 780 Mitarbeiter gesunken.

Mitte der 1970er Jahre setzt die Stahlkrise ein. Ihre Verschärfung 1979 hat zur Folge, dass zu Beginn der 1980er Jahre Hochofen 1 und 2 stillgelegt werden. Die letzten Investitionen durch den Thyssenkonzern finden Anfang der 1980er Jahre statt.

1982 wird der Hochofen 5 neu zugestellt. Eine Entschwefelungsanlage wird gebaut und 1983 wird der Gasometer generalüberholt. Das Ende kommt trotzdem und für manchen unerwartet. Am 4. April 1985 erfolgt die letzte Schicht. Das Werk wird stillgelegt. Die Masselgießerei beendet ihren Betrieb erst 1993. Teile davon sind heute noch zu sehen.

Strukturwandel

Nach einer Betriebszeit von 84 Jahren geht eine Ära zu Ende. Was bleibt, sind verlassene, verrostete Stahlgiganten und eine Menge diverser Altlasten auf einer ca. 200 Hektar großen Industriebrache.

Gegen eine Demontage sprechen die zu erwartenden Abrisskosten und die städtebauliche Bedeutung des Werkes. 1902 auf bis dahin noch landwirtschaftlich genutztem Grund gebaut, bildet das Werk den Mittelpunkt des geschichtlichen Städtebaues der Umgebung. Bebauung und Infrastruktur wurden nach ihm ausgerichtet. 84 Jahre prägte es das Leben der Menschen in seiner Umgebung. Aus Interessengemeinschaften von Bürgern gegen den Abriss und für den Erhalt entstehen der „Deutsche Gesellschaft für Industriekultur e.V.“ und die „Interessengemeinschaft Nordpark“. Ein Gutachten der Denkmalpflege stuft den Denkmalwert der Anlage als hoch und einmalig ein.

Entgegen kommen den Befürwortern auch Bemühungen der Landesregierung, die strukturschwache Emscherzone zu fördern.

1988 wird die „Internationale Bauausstellung Emscher Park“ (IBA) gegründet.

Das alte Hochofenwerk soll als Zentrum und lebendiges Industriedenkmal Teil eines großen Parks werden. Das Land Nordrhein-Westfalen erwirbt zu diesem Zweck die Fläche vom Thyssenkonzern. 1989 wird ein Planungswettbewerb ausgeschrieben. 1991 bestätigt eine Expertenkommission, dass die meisten Abrissvarianten teurer kommen als der Erhalt. Ein Freizeit und Erlebnisraum soll für den Duisburger Raum entstehen. Der Rat der Stadt Duisburg beschließt deshalb 1992 den Erhalt der Industrieanlagen. Als Zeitzeuge der Geschichte eines Eisenhüttenwerkes und seiner Technik soll der Park aber auch der Naherholung dienen, Sport- und Freizeitmöglichkeiten bieten und Raum für kulturelle Aktivitäten wie Konzert- und Theateraufführungen schaffen.

Abb. 23: Abstraktes Modell des heutigen Areals des Landschaftsparks Duisburg-Nord. Es dient im Park als Orientierungshilfe für die Besucher
Abb. 23: Abstraktes Modell des heutigen Areals des Landschaftsparks Duisburg-Nord. Es dient im Park als Orientierungshilfe für die Besucher

Am 17. Juni 1994 wird ein erster Teil des Landschaftspark Nord für die Öffentlichkeit freigegeben. 1997 gründet die Stadt Duisburg die „Landschaftspark Duisburg-Nord GmbH“.

Die Entwicklung des Parks ist seitdem weiter fortgeschritten.

Übrig geblieben sind der „Ingenhammshof“ als letzter Zeuge einer über Jahrhunderte bestehenden Bauernschaft und die stillgelegten Industrieanlagen als Zeuge der Industrialisierung, die ihre Umgebung veränderte und prägte. Gemeinsam stellen sie heute als Teile des „Landschaftspark Duisburg-Nord“ die interessante strukturelle Entwicklung dieser Region da.